AUS DER GESCHICHTE DER SIEBENBÜRGER SACHSEN
von Erich Brandsch, Burgkirchen
Aus “Heimatbuch Burgkirchen”, 1986,
Autor Ing. Stefan Ziekel
Gemeinde Burgkirchen, Bez. Braunau/Inn, OÖ
Die Vorfahren der Siebenbürger Sachsen waren vor über 800 Jahren aus deutschen Landen hingewandert, hatten durch die Jahrhunderte hindurch ihre mitgebrachte Sprache, Tracht und Eigenart bewahrt, bis sie das Schicksal des Zweiten Weltkrieges ereilte. Aber die Geschichte ihrer Vorväter haben sie nicht vergessen:
Es sind bald 850 Jahre, dass ihre Vorfahren auszogen, um sich in Siebenbürgen (Transsilvania, d.h. jenseits der Wälder) eine neue Heimat zu schaffen.
Nachdem das Reiter- und Hirtenvolk der Ungarn aus den Weiten des Ostens kommend, sich in der Donautiefebene und am Ostrand der Karpaten sesshaft machte, wurde es unter König Stephan dem Heiligen (997 bis 1038) zum Christentum bekehrt. Da die Ungarn durch ihre Streifzüge bis nach Bayern deutsche Lebens- und Wesensart kennengelernt hatten ihre Könige mit deutschen Fürstentöchtern verheirateten, gaben sie ihrem Volke neue Lebensgrundlagen. Die Bedrohung aus dem Osten bestand darin, dass als Folge der Völkerwanderung einige der Völker noch nicht zur Ruhe gekommen waren.
Die Weite Siebenbürgens war noch nicht besiedelt und der Karpatenbogen bildete eine natürliche Festung gegen den Osten. Zu gleicher Zeit, als die Bischöfe von Passau und Salzburg den Osten von Österreich besiedelten und befestigten, berief der ungarische König Gheisa II. um das Jahr 1141 die Vorfahren dieser Volksdeutschen nach Siebenbürgen. Hier sollten sie den Boden urbar machen sowie die Verteidigung gegen die immer wieder einbrechenden Völker des Ostens mit übernehmen.
Zu dieser Zeit waren die Bauern in Deutschland noch Hörige sowie die Städte noch nicht frei. So fand der Ruf König Gheisas II. als freie Bauern und Bürger das Land zu besiedeln, im damals fränkischen deutschen Kaiserreich, offene Ohren. Es kamen Bauern, Handwerker, Bürger, auch Adelige und Geistliche aus den verschiedensten Teilen des Reiches, aber im besonderen aus dem fränkischen Raum und dem Rheinland. Sie brachten deutsches Recht, Brauchtum und Ordnung in die ,,Öde“ Siebenbürgens mit, wie es in alten Urkunden heißt. Der ihnen zugewiesene Boden bekam den Namen ,,Königsboden“, auf dem nur sie siedeln durften. Sie waren nur dem König untertan.
Nach altem deutschen Recht erhielten die Bauern alle gleich viel Grund und bestellten ihn nach gemeinsamem Plan. Gemeingut waren Weide, Wald, Jagd und Gewässer. Aus freier Wahl gingen die Amtleute und Pfarrer hervor, eine beispiellose Regelung inmitten der in Europa vorherrschenden feudalen Ordnung.
Unter König Andreas II. kam der aus dem Heiligen Land vertriebene ,,Deutsche Ritterorden um das Jahr 1211 in das öde Land an der Burzen (Fluss bei Kronstadt), um das Land gegen die anstürmenden Kumanen zu verteidigen. Nur vierzehn Jahre wirkten die geistlichen Herren mit ihrem dörflichen Gefolge, denn sie erkannten nur den Papst als Oberherrn an, was der ungarische König natürlich nicht dulden konnte. Sie zogen nach Ostpreußen weiter, wo sie ihre Kolonistentätigkeit weiter fortsetzten. Die von ihnen gebauten Burgen und Dörfer blieben aber und bildeten einen neuen Teil des schon bestehenden Siedlungsgebietes. Die erste schwere Gefahr brachte der Mongoleneinfall 1241, der Siebenbürgen und einen Teil von Ungarn verwüstete. Dabei wurden die Siedlungen zerstört und ein Teil der Bevölkerung in die Sklaverei entführt. Die bis dahin bestehenden Fluchtburgen aus Erdwällen und Palisaden, wurden durch gemauerte Steinburgen um die Kirche im Ort ersetzt. Darin hatte jede Familie ihren Wohnraum und musste auch an der Verteidigung teilhaben.
Desgleichen wuchsen um die Städte Hermannstadt, Kronstadt, Bistritz, Schäßburg, Mediasch, Mühlbach, befestigte Stadtburgen, die von den Bürgern und den Zünften verteidigt wurden. Durch den im Jahre 1224 erteilten Freibrief König Andreas II., wo eine politische Einheit unter dem vom König ernannten ,,Komes“ (Königsrichter) zugesichert wurde, konnte sich das Siedlungsgebiet wieder schnell erholen. In den Städten blühten das Gewerbe und der Handel.
Im Jahre 1376 gab es in Hermannstadt 19 Zünfte mit 25 Gewerben. Sogar das deutsche Mutterland wurde übertroffen, denn in derselben Zeit hatte Augsburg nur 16 Zünfte mit 20 Gewerben. Die Kronstädter brachten es in ihrer Blütezeit sogar auf 43 Gewerbe mit 1.227 Meistern. Die Handelswege der Kaufleute führten über die Karpaten bis nach Konstantinopel und auf die Krim. In den rumänischen Fürstentümern wurden Handelsniederlassungen gegründet, die sich teilweise zu Städten entwickelten, aber nach den Türkeneinfällen verlorengingen. Bloß der Name im Rumänischen erinnert heute noch daran, dass sie einmal deutsch waren.
Nach dem Norden und Westen führten die Wege der Handelsleute bis nach Danzig, Köln, Nürnberg, Augsburg und selbst nach Venedig. Die Gesellen waren zur Wanderschaft verpflichtet und stellten so immer die Verbindung zum Westen her. Genauso besuchten die Studenten die Universitäten in Wien, Prag, Köln und Krakau, das damals noch deutsch war. Handelshäuser in Deutschland hatten ihre Niederlassungen in den Städten, wie zum Beispiel die Fugger aus Augsburg. Einer von ihnen, Markus Pempflinger, wurde sogar ,,Komes“ der Sachsen. Peter Haller, Sohn eines Nürnberger Ratsherrn, Bürgermeister von Hermannstadt.
König Matthias erneuerte 1486 den ,,Freibrief“ für alle neugebildeten Siedlungsgebiete und bestätigte so die politische ,,Nation“ der Sachsen in Siebenbürgen, nachdem er kurz vorher die Wahl des ,,Komes“ (Königsrichter) dem Volke gegeben hatte. In der ,,Sächsischen Nationsuniversität“ vereinigten sich alle Siedlungsgebiete, um jährlich zweimal Recht zu sprechen und Gesetze zu geben.
Der Name ,,Sachsen“ für die Deutschen, ergab sich aus dem lateinischen ,,Saxones“, womit damals alle Deutschen bezeichnet wurden.
Schwere Zeiten brachen für die Sachsen an, als die Vorstöße der Türken erfolgten. Komes Anton Trautenberger schlug als erster mit einem sächsischen Heerbann die Türken, die bis zur Donau zurückwichen. Nachdem nach der Schlacht bei Mohacs 1526, das Ungarische Reich durch die Türken zerstört wurde, löste sich Siebenbürgen von Ungarn. Zuerst war es ein selbständiges Fürstentum, jedoch musste es dann doch die Oberhoheit der Türken anerkennen. In dieser Zeit bildeten die Sachsen mit ihren Burgen und befestigten Städten, den einzigen Rückhalt für die Fürsten von Siebenbürgen, die immer aus ungarischen Adeligen gewählt wurden. Getreu dem Sieg der ,,Nationsuniversität“, ,,Ad retinendam coronam“ (Zum Schutze der Krone), hatten die Sachsen viele Leiden zu erdulden, da sie sich noch immer der Krone verpflichtet fühlten und diese hatten jetzt die Habsburger inne.
Zu dieser Zeit wurden auch die Schriften Luthers in Siebenbürgen bekannt und führten dazu, dass die Sachsen evangelisch wurden und 1553 sich ihren ersten eigenen Bischof wählten. Dieser Schritt führte zu einer inneren Stärkung, da die übrigen Nationen entweder katholisch, reformiert oder orthodox waren. Johannes Honterus aus Kronstadt, der die Reformation durchführte, war auch ein großer Schulmann. In der von ihm gegründeten Druckerei verfasste er Schulbücher für die Volksschulen und Gymnasien. Jedes Dorf hatte seine eigene Schule, für die selbst in der Kirchenburg ein eigener Raum vorgesehen war. In seiner Druckerei übersetzte Honterus den ,,Kleinen Katechismus“ Luthers auch in die rumänische Sprache, wodurch dieses Buch das erste in dieser Sprache war. Denn bis dahin schrieben die Rumänen Altslawisch.
Im Jahre 1583 schufen sich die Sachsen durch ihr Gesetz über das ,,Eigenlandrecht“ ein Grundbuch, das bis zum Jahre 1853 in Gültigkeit stand und das Volk in die Lage versetzte, den Sturm der Zeit zu überstehen. Diese wurde mit der Zeit immer schlimmer für die Sachsen. Die Türken plünderten und forderten Tribut, selbst die Fürsten hatten es auf die reichen sächsischen Städte abgesehen. Das Dorf Tartlau bei Kronstadt wurde 50 mal verwüstet und wieder aufgebaut, die Kirchenburg jedoch nie eingenommen. Über hundert Gemeinden sind in dieser Zeit vom Erdboden verschwunden.
Nachdem die Türken 1683 bei Wien geschlagen wurden und Ungarn wieder frei wurde, kehrte Siebenbürgen zum Reich und Hause Habsburg zurück. Jedoch waren es anfangs keine ruhigen Jahre. Die kaiserlichen Soldaten brandschatzten, Kronstadt ging dabei ganz in Flammen auf (1689), ihr großer Dom heißt seit dieser Zeit die ,,Schwarze Kirche“. Der Kurutzenaufstand von 1704 bis 1711 verwüstete das Land.
Nach dem Frieden von Szathmar 1711 trat wieder Frieden ins Land, die alten Rechte wurden erneuert und es konnte wieder einmal mit dem Aufbau begonnen werden.
Wie auch in Österreich nach den Siegen Prinz Eugens der große Aufbruch begann, am besten versinnbildlicht durch die Zeit des Barock, so kamen diese neuen Gedanken auch nach Siebenbürgen. Kaiserin Maria Theresia erwählte zum Gouverneur von Siebenbürgen den Sachsen Baron Samuel von Brukenthal, aus einem alten ,,Komesgeschlecht“. Dieser verstand es, die vielen Gegensätze, die es in Siebenbürgen gab, auszugleichen. Gegenreformation und ungesetzliche Prozesse sollten die Sachsen um ihre Rechte bringen. Jedoch treu seinem Wahlspruch: ,,Meinem Glauben und meinem Volk will ich treu bleiben“, gab er Siebenbürgen und seinen Sachsen wieder Ruhe und Ordnung für die nächsten Jahrzehnte. Als im vorigen Jahrhundert die Habsburger an der Ringstraße in Wien ihrer großen Kaiserin ein Denkmal setzten, wurde auch Brukenthal auf der linken Seite neben ihr durch eine Statue geehrt. Als einziger Evangelischer, wo damals doch eine Gegenreformation durchgeführt wurde.
Die Reformen Kaiser Joseph II. brachten wieder Unruhe ins Land, nachdem er die ,,Sächsische Nation“ für erloschen erklärte. Jedoch nach seinem frühen Tode wurden seine Erlässe wieder aufgehoben und es traten wieder die alten Rechte ein. Zu dieser Zeit erfolgte auch die Einwanderung der aus der Steiermark, Oberösterreich (z. B. Landler) und Salzburg vertriebenen Evangelischen, die in der Gegend von Hermannstadt angesiedelt wurden.
Das Mittelalter ging auch in Siebenbürgen seinem Ende zu, das Wetterleuchten der französischen Revolution drang bis nach dem fernen Siebenbürgen. Gewerbe und Handel mussten sich umstellen auf neue Absatzmärkte in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Die Revolution von 1848/49 brachte die Freiheit den noch teilweise hörigen Sachsen, aber im besonderen den in Siebenbürgen volksmäßig am stärksten vertretenen Rumänen. Für sein Eintreten für die Freiheit wurde der evangelische Pfarrer und Sachse Stefan Ludwig Roth 1849 von den Ungarn in Klausenburg erschossen. Durch den Ausgleich mit Ungarn versuchte Kaiser Franz Joseph die Lage in der Monarchie im Jahre 1868 zu stabilisieren. Aus heutiger Sicht zum Schaden der Monarchie, denn durch ihren Chauvinismus stachelten die Ungarn erst recht den Nationalismus der Tschechen, Serben, Kroaten und Rumänen an, der zum Zerfall der Monarchie führte.
Die Sachsen verloren durch den Ausgleich mit Ungarn 1876 die Rechte ihres ,,Königsbodens“. Die Ungarn versuchten durch den nun gebildeten Staatsapparat ihre ungarische Sprache überall durchzusetzen. Zum Glück hatten die Sachsen durch ihre eigene evangelische Landeskirche eine Rückendeckung, sie wurde nun zu einer Volkskirche. Schule, Brauchtum und Vereinswesen sammelten sich um diesen Hort, der auch heute noch kirchlich besteht.
Der Erste Weltkrieg mit seinen Folgen brachte für die Sachsen eine vollkommen neue Lage. Durch die Friedensverträge von St. Germain kam Siebenbürgen zu dem neugeschaffenen ,,Großrumänien“. Durch die ,,Karlsburger Beschlüsse“ wurde von den Rumänen den mitwohnenden Nationen volle Gleichberechtigung zuerkannt, diese jedoch nie eingehalten. Es begann der gleiche Kampf, wie vorher mit den Ungarn um Schule, Sprache und Besitz. Durch eine Agrarreform wurden den Sachsen Kirchengüter und privater Besitz enteignet. Die Staatsbeamten waren nur noch Rumänen. Jedoch durch die ungebrochene wirtschaftliche Kraft der Sachsen waren die meisten Großbetriebe in ihrem Besitz. Schule und Kirche konnten nur durch vermehrte Abgaben erhalten werden. Bauernfleiß und Tüchtigkeit der Sachsen überstanden jedoch auch diese Zeit. Der Sturm des Zweiten Weltkrieges brachte jedoch wieder eine neue Lage. 1940 wurde Nordsiebenbürgen an Ungarn angeschlossen und damit zum ersten Male die sächsische Nation geteilt.
Rumänien und Ungarn kämpften auf deutscher Seite gegen Rußland, mit dabei die Sachsen in ihren Verbänden. Ab 1943 jedoch mussten die Sachsen in die deutsche Waffen-SS einrücken. Der Abfall Rumäniens 1944 von deutscher Seite brachte wohl das Ende der Sachsen. Aus Nordsiebenbürgen konnten die Sachsen in organisierten Trecks nach Österreich flüchten, vor den nachdrängenden Russen. Im Süden überfluteten die Russen die Sachsen. Anfang 1945 wurden sämtliche Frauen vom 18. bis zum 35. und alle Männer vom 17. bis 45. Lebensjahr zur Zwangsarbeit ins Donezbecken nach Russland verschleppt. Ein Drittel starb dort und der Rest kam nach fünf Jahren entweder in die Heimat oder nach Deutschland. Desgleichen nach Kriegsende die entlassenen Soldaten.
Nachdem Rumänien eine kommunistische Regierung erhalten hatte, wurden die Sachsen wie alle anderen vollständig enteignet, Kindergärten und Schulen verstaatlicht. Nur die Kirche besteht noch mit geringen Vollmachten. Durch diese Ereignisse wurde das Sachsenvolk an seiner Wurzel getroffen. Durch Abmachungen mit der rumänischen Regierung ist es Deutschland und Österreich gelungen, im Rahmen der Familienzusammenführung eine Aussiedlung zu ermöglichen. Der in der alten Heimat verbliebene Rest der Sachsen sieht unter kommunistischer Herrschaft einer dunklen Zukunft entgegen.
Aus dem reichen Siebenbürgen ist ein Land der Armut und Unfreiheit geworden. So sind die Siebenbürger dankbar, hier in Österreich leben zu können. Hier haben sie wieder die Freiheit, für die einst ihre Vorfahren nach Siebenbürgen auszogen. Möge es hier zur Wahrheit werden, was sie einst mit ihrer siebenbürgischen Hymne gesungen haben:
UND UM ALL DEINE SÖHNE, SCHLINGE SICH DER EINTRACHT BAND!
2. Siebenbürgen, Meeresboden einer längst verfloss’nen Flut!
Nun ein Meer von Ährenwogen, dessen Ufer waldumzogen an der Brust des Himmels ruht!
3. Siebenbürgen, Land der Trümmer einer Vorzeit stark und groß!
Deren tausendjähr’ge Spuren ruhen noch in deiner Fluren ungeschwächtem Ackerschoß.
4. Siebenbürgen, grüne Wiege einer bunten Völkerschar!
Mit dem Klima aller Zonen, mit dem Kranz von Nationen um des Vaterlands Altar.
5. Siebenbürgen, grüner Tempel mit der Berge hohem Chor!
Wo der Andacht Huldigungen steigen in so vielen Zungen zu dem einen Gott empor.
6. Siebenbürgen, Land der Duldung, jedes Glaubens sichrer Hort!
Mögst du bis zu fernen Tagen als ein Hort der Freiheit ragen und als Wehr dem treuen Wort!
7. Siebenbürgen, süße Heimat, unser teures Vaterland!
Sei gegrüßt in deiner Schöne, und um alle deine Söhne schlinge sich der Eintracht Band!
Weise von Johann Lukas H e d w i g
(* 5.8.1802, Heldsdorf; + 8.1.1849, Kronstadt)
Worte von Leopold Maximilian M o l t k e
(* 18.9.1819, Küstrin; + 19.1.1894, Leipzig)